Ludwig Trepl

Geboren 1946

Studium der Biologie 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Freien Universität Berlin

1983 Promotion zum Dr. rer. nat. bei Herbert Sukopp an der Technischen Universität Berlin

1988 Habilitation am Fachbereich Landschaftsentwicklung der Technischen Universität Berlin

1994 bis 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München


Arbeitsschwerpunkte:

Theorie und Geschichte der Ökologie, Theorie und Geschichte von „Landschaft“

Abschiedsvorlesung

Versuch eines inter- und transdisziplinären Lehrstuhls. Eine Bilanz.

Ludwig Trepl[1]
Abschiedsvorlesung                                                                        9. Mai 2011


Vorweg: Sie werden keine „Präsentation“ erleben, ich werde keine Folien und Bilder zeigen, sondern zwei Vorlesungsstunden lang nur vorlesen.
Ich will nicht zu einer speziellen wissenschaftlichen Frage sprechen. Dem Anlaß eher angemessen scheint es mir, Bilanz ziehen. Das hat auch den Vorteil, daß ich einmal viel von mir selber reden darf, was ja sonst eher etwas Peinliches hat. Bilanz: Was habe ich erreicht, was nicht? Was aufgrund eigener Fehler nicht erreicht, was habe ich erfahren müssen und auch dürfen, für das ich nichts kann?
Ich muß mich auf etwas konzentrieren, was mir wesentlich erscheint. Das aber ist, hoffe ich, von allgemeinerem Interesse. Denn es geht auch darum, in welcher Weise Wissenschaft heute überhaupt möglich ist.
Nun sind wir hier in einer Vorlesung und ich darf nicht einfach von persönlichen Wünschen, Enttäuschungen etc. erzählen. Ich will das darum verbinden mit Überlegungen dazu, ob meine Ziele überhaupt sinnvoll und zu erreichen möglich sind und was die systematischen Hindernisse sind. Zur Eingrenzung setze ich folgenden Schwerpunkt: Ich wollte den Lehrstuhl für Landschaftsökologie als eine inter- und transzdisziplinäre Einrichtung betreiben – oder richtiger: etwas modifiziert weiterbetreiben. Denn der Lehrstuhl war dies ja seit seiner Gründung durch Herrn Haber.
„Transdisziplinarität“ – vielleicht ist der Begriff ja nicht jedem geläufig – definiert Mittelstraß „als ein Forschungs- und Wissenschaftsprinzip ..., das überall dort wirksam wird, wo eine allein fachliche oder disziplinäre Definition von Problemlagen und Problemlösungen nicht möglich ist...“[2] Vorwiegend wird das Wort in Abgrenzung zu Interdisziplinarität gebraucht, und zwar dort, wo die Grenzen der Wissenschaft überhaupt überschritten werden, etwa sogenanntes lebensweltliches Wissen einbezogen wird. Ich will aber zeigen, daß solche Vorstellungen sehr ungenügend sind, wenn man die Motivation hinter „Transdisziplinarität“ ernst nimmt.
Was unterschied unseren Lehrstuhl in der Forschung – nun, nicht von allen, aber doch von den meisten?
An diesem Lehrstuhl wurden auch ganz normale ökologische, also naturwissenschaftliche Arbeiten, der angewandten und der Grundlagenforschung angehörige, geschrieben,[3] wie es dem „Ökologie“ im Titel nach zu erwarten ist. Es wurden aber vor allem Arbeiten geschrieben, wie sie typisch sind für solche Lehrstühle, die in ihrer Bezeichnung meist „Methodologie“ oder „Geschichte“ mit dem Namen einer Wissenschaft verbinden.[4] Solche Arbeiten befaßten sich bei uns meist mit Naturwissenschaft, sind aber wissenschaftssystematisch und vor allem methodisch etwas vollkommen anderes. Sie gehören in das Gebiet von Philosophie/Wissenschaftstheorie sowie Geistes- und Wissenschaftsgeschichte. Es gab am Lehrstuhl auch Arbeiten, die in recht spezialisierte Gebiete der Geisteswissenschaften gehören[5] , und es gab Arbeiten planungswissenschaftlicher Art.[6] Es waren also insgesamt Arbeiten, wie sie normalerweise nicht nur auf verschiedene Lehrstühle, sondern auf höchst verschiedenartige Fakultäten verteilt sind.
Manche werden vielleicht denken: Das ist ganz unmöglich. Vor allem Angehörigen „normaler“ Disziplinen[7] wird das so vorkommen, als meinte da jemand, heute noch könne man auf allen Gebieten der Botanik in der Forschung präsent sein. Landschaftsplaner, aber keineswegs nur sie, werden das, was wir machten, hingegen für ganz normal halten: Das tun wir doch immer, werden sie sagen. Beiden möchte ich widersprechen.

Bevor ich auf die Probleme komme, die sich auftaten, zunächst einmal: Warum machte ich und warum macht man überhaupt so etwas?
Es gibt auch eine ganze Reihe innerwissenschaftlicher Gründe, die Isolation der Wissenschaften voneinander zu überwinden, aber für uns hier überwiegen wissenschaftsexterne, praktische: Indem die Wissenschaft sich gleichsam naturwüchsig immer weiter spezialisiert, wird sie eben dadurch für die Praxis immer weniger brauchbar. Es gibt kein einziges praktisches Problem, ja es kann keines geben, das aus wissenschaftlicher Perspektive nicht in Aspekte zerfällt, für die verschiedene Disziplinen zuständig sind. Diese müssen also im Dienste praktischer Problemlösung zusammenarbeiten, aber mit zunehmender Spezialisierung können sie das immer weniger. Manche dieser temporären interdisziplinären „Problemgemeinschaften“ sind dauerhaft geworden, oft selbst regelrechte „Fächer“. Und es haben sich nicht-wissenschaftliche, etwa handwerkliche oder in anderem Sinne lebenspraktische Gebiete, z. B. das Forstwesen, akademisiert, und so sind ebenfalls interdisziplinäre wissenschaftliche Fächer entstanden. Das ist etwas, was in der allgemeinen Diskussion um Interdisziplinarität eher übersehen wird: daß sie sich alles in allem eher innerhalb von Disziplinen abspielt als zwischen ihnen. Darum geht es auch in unserem Fall.
„Interdisziplinarität innerhalb von Disziplinen“ scheint ein Widerspruch. Dazu zwei Bemerkungen. Erstens, ganz banal: In der Disziplin der Agrarwissenschaft z. B. sind Wissenschaftler zusammengeschlossen, die gleichzeitig etwa als Ökonomen oder Biologen noch anderen Disziplinen angehören. Zweitens: Unter der Überschrift „Interdisziplinarität“ geht es ja darum, daß Verbindungen zwischen zuvor Getrenntem hergestellt werden sollen. Was da voneinander getrennt ist, sind aber zwei völlig verschiedene Dinge, und das wird in der einschlägigen Diskussion wenig beachtet: „Disziplinen“ als soziologische und historische Einheiten, und „Wissenschaften“ als kognitive Einheiten.
Ein Angehöriger der Disziplin Ökologie muß sich in seiner Disziplin in gewissem Umfang auch mit den Wissenschaften der Physiologie, der Physik oder der Geologie befassen (nicht nur mit Angehörigen der Disziplin Geologie kooperieren), er kann sich auch mit Musikwissenschaft oder Soziologie befassen. Aber die Wissenschaft Ökologie ist streng getrennt von der Wissenschaft Physiologie, eine ökologische Erklärung eines bestimmten Phänomens ist etwas anderes als eine physiologische, auch wenn die ökologische eine physiologische (und chemische, physikalische) explizit oder implizit enthalten muß. Und die Wissenschaft Ökologie ist streng getrennt von der Wissenschaft Soziologie, wobei in diesem Fall eine ökologische Erklärung eine soziologische nicht enthalten kann.
Die Regeln der Disziplinen haben die ihr Angehörenden in gewissem Sinne in der Hand. Sie können z. B. beschließen, welche Arten von Doktorarbeiten sie in ihrer Disziplin zulassen wollen. Die Regeln ihrer Wissenschaft haben sie nicht in der Hand, vielmehr unterliegen sie ihnen – ihrer „Logik“, wie es heißt.
Das hat Folgen, z. B.: In einer Disziplin können oft bestimmte Themen nicht übergangen werden, die nicht zu derjenigen Wissenschaft gehören, die den Kern der Disziplin ausmacht und ihr im allgemeinen den Namen gibt. Dann müssen sich die Disziplinangehörigen aber den Regeln unterwerfen, die eine andere Wissenschaft vorgibt, und im Wissenschaftsbetrieb müssen sie sich dem Urteil der Angehörigen anderer Disziplinen unterwerfen. Ein Ökologe, dessen Anwendungsgebiet z. B. der Naturschutz ist, kann sich genötigt sehen, etwas zu soziologischen oder kulturhistorischen Dingen zu sagen. Er muß aber dann den Anforderungen der Wissenschaften Soziologie oder Kulturgeschichte genügen. (Welche die sind, kann er von Angehörigen der sich nach ihnen nennenden Disziplinen erfahren.)[8] Sonst ist seine Arbeit vielleicht im Naturschutz von großer Wirkung, aber ohne jeden wissenschaftlichen Wert. Das ist ein großes Problem in unserem Fach, und für mich war das ganz praktisch gesehen das Hauptproblem.
Nebenbei: Ich sprach eben von „unserem Fach“. Wenn ich von meinem oder unserem Fach spreche, so meine ich manchmal die Ökologie, manchmal die Landschaftsplanung, manchmal Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur zusammen, also extrem verschiedenartiges. Ich hoffe, es wird  immer hinreichend deutlich, was ich gerade meine.
Zurück. Ich sagte eben, ein Biologe muß außer Biologie noch zwei, drei andere Wissenschaften einigermaßen können, z. B. Chemie. Aber Angehörige komplexerer anwendungsorientierter Disziplinen, der Landschaftsplanung etwa, müßten sich nicht in zwei oder drei anderen Wissenschaften einigermaßen auskennen, sondern in einer Vielzahl, ja tendenziell in allen. Und – das macht eben die Trans-Disziplinarität aus – nicht nur in Wissenschaften müßten sie sich auskennen, sondern auch mit vielem anderen, was das Leben ausmacht, für das die Planung gemacht wird, von der Politik bis zu Kunst und Kultur. So viel aber kann keiner können. Darum macht man es in der Regel so: Man spezialisiert sich und kooperiert mit anderen Spezialisten. Das aber kann nur funktionieren, wenn es auch Leute gibt, die das Ganze des jeweiligen Problems im Auge haben. Da gibt es zwei Möglichkeiten:
(1) Man macht das auf die alte, alltagspraktisch-lebenskluge Art, wie ein Politiker, der nichts gelernt hat außer Politiker, aber nun ein Fachministerium leiten muß.
Oder
(2) es entsteht eine neue Wissenschaft, die spezialisiert ist auf dieses Ganze. So sind die Planungswissenschaften entstanden.
In diesen (wenigstens der sogenannten räumlichen Planung) hat man die Aufgabe, etwas, was Gegenstand vieler spezialisierter Disziplinen ist, zu einem Gegenstand zu machen, und zwar zu einem wissenschaftlichen. Das aber geschieht aus außerwissenschaftlicher Perspektive, denn die Planung wird ja für das praktische Leben gemacht.
Deswegen ist aus der Perspektive der Planungsdisziplinen leicht zu sehen, was in der allgemeinen Diskussion um Interdisziplinarität leicht übersehen wird: Das Problem ist nicht nur die Isolation der Wissenschaften voneinander, sondern auch und vor allem die Isolation der Wissenschaft insgesamt von dem Leben, dem sie dienen soll. Interdisziplinarität muß darum zur Transdisziplinarität erweitert werden. Das gilt in der allgemeinen Diskussion als recht neue und einschneidende Erkenntnis. Doch ist es nur das, was es in Gestalt der Planungsdisziplinen, aber auch in Gestalt einer größeren Zahl komplexerer anwendungsorientierter Disziplinen (z. B. Agrar- und Forstwissenschaft) längst gibt.[9]
Praktisch haben sich die  Diskussionen um Transdisziplinarität aber bald weitgehend auf eine bestimmte Art von Fragen verengt: Wie berücksichtigt man, daß es außerhalb der Wissenschaften ja auch ein Wissen gibt, außerhalb der von den Planern systematisch entwickelten Zielsetzungen ja auch Ziele gesetzt werden usw. Es geht folglich darum, wie man mit „den Bürgern“ kooperiert.  Man entwickelt nun nicht mehr einfach den Wünschen des Auftraggebers (oder dem Stand der eigenen Fachdiskussion) entsprechend einen Plan über die Köpfe der Leute hinweg, sondern fragt sie nach ihrem Zielen und nutzt ihr Wissen.[10]
Eine Frage aber wird nicht mehr gestellt, nämlich: Was soll das alles überhaupt? Man bemüht sich um einzelne Probleme, aber nicht um die Stellung des einzelnen Problems im gesellschaftlichen Ganzen. Und es geht nur um die Lösung des gestellten Problems, nicht darum, ob das Problem überhaupt richtig gestellt ist. Oder anders gesagt: Jeder Landschaftsplaner oder wissenschaftlich ausgebildete Umwelt- und Naturschützer hat zwar eine Reihe von Argumenten gelernt, die dafür sprechen, daß seine Tätigkeit sinnvoll ist. Aber diese Frage als eine offene zu behandeln und als eine wissenschaftliche, das pflegt ihm fremd zu sein.
Da wird man protestieren. Man wird sagen:  Genau damit, daß man die Bürger einbezieht, öffnet man sich ja dem gesellschaftlichen Ganzen. Und man riskiert, daß die vorgegebene Problemstellung über den Haufen geworfen wird, daß z. B. der Standpunkt des Naturschutzes grundsätzlich in Frage gestellt wird.
In der Tat, was die Intention angeht, ist das wohl richtig: Man kann die Entwicklung „kooperativer“ Planungsmethoden als eine Reaktion auf die eben angedeutete Verengung sehen. Ich will das eine ingenieurmäßige Verengung der Planungsdisziplinen nennen und kurz erklären, was ich damit meine.
Ingenieure lösen technische Probleme, d. h. sie suchen Mittel zu vorgegebenen Zielen. Planer haben es dagegen mit praktischen Problemen zu tun.
Technische Probleme sind nur ein Teil, und zwar ein nachgeordneter, der praktischen Probleme. Planer müssen Lebenssituationen interpretieren, zwischen Werten wählen und Werte reflektieren, müssen Ziele begründet – dabei vom gesellschaftlichen Ganzen ausgehend –, bestimmen statt nur Mittel zu ihrer Erreichung zu entwickeln. Sie müssen sich also mit Dingen befassen, die Ingenieure immer schon voraussetzen und dies auch dürfen. Herauszufinden, ob die Ziele sinnvoll sind, für die er Mittel entwickelt, hat der Ingenieur weder gelernt noch wäre es von Bedeutung für seine Arbeit, wenn er es gelernt hätte. Er muß nicht fragen, ob die technische Verbesserung, die er entwickelt, vielleicht negative Folgen für die Gesellschaft im Ganzen hat, ob die informationstechnische Neuerung vielleicht das soziale Gefüge ins Wanken bringt oder das schnellere Fahrzeug die Zahl der Verkehrstoten erhöht. Diese Folgeprobleme müssen andere lösen.
Der Planer aber muß so etwas von vornherein berücksichtigen. Sein Plan hat im Ganzen nichts getaugt, wenn solche schädlichen Nebenwirkungen auftreten.[11] Es gibt buchstäblich nichts, was er unberücksichtigt lassen darf. Das heißt natürlich nicht, daß er sich mit allem, „dem Ganzen“ im Sinne von Totalität[12] befaßt, wohl aber daß er einen Begriff bzw. Begriffe von diesem haben Ganzen muß und daß er die Relevanz  alles Einzelnen beurteilen können muß, bevor er sich an Einzelnes macht.
In dem Maße, wie die Planer sich daran gewöhnt haben, Aufträge auszuführen, nach deren Sinn und Zweck sie nicht fragten, näherte sich ihre Arbeit jedoch immer mehr dem des Typs Ingenieurtätigkeit an. Damit erfüllten sie aber nicht mehr die Aufgabe, die der Planerberuf nun einmal hat und wegen der er in einer modernen Gesellschaft unverzichtbar ist. Darauf mußte die Planungswissenschaft reagieren, und darum hat sie die transdisziplinäre Einbindung des Lebensganzen in Gestalt der Bürgerbeteilung bzw. der kooperativen Verfahren erfunden.
Ich sagte aber eben: Damit ist die Verengung nicht überwunden. Warum? Nun: Was ist, wenn auch das, was die Bürger denken und wollen, nur anders ist, aber nicht weniger beschränkt als Vorstellungswelt und Interessen der Planer oder der Auftraggeber?

Letzteres war zu der Zeit, als ich studierte – ich muß jetzt aufs Persönliche zu sprechen kommen –, in den Diskussionen an den Universitäten ein Hauptthema. Nicht nur die paar Mächtigen haben Unrecht, sondern auch die große Mehrheit der Bevölkerung, denn diese ist mit diesen Mächtigen ja im wesentlichen einer Meinung. Die Wünsche der Menschen, so wie sie sind, zu erfüllen, bringt diesen selbst folglich wenig: Sie verkennen ja ihre eigenen wahren Interessen.
Natürlich steckte dahinter eine gehörige Portion Arroganz: Wir, die Studenten, waren durch das Bißchen Hineinschnuppern in die Wissenschaft kritische Menschen geworden, und wir kannten darum die wahren, ihnen selber verborgenen Interessen der Leute. Aber es steckte auch eine Einsicht in das Verhältnis von Wissenschaft und gesellschaftlichem Ganzem, von Wissenschaft und Lebenswelt darin, die später gründlich vergessen wurde – an den Universitäten im allgemeinen und auch in den Planungsdisziplinen, die ja eigentlich genau für dieses Verhältnis zuständig sind.
Was ist denn im letzten Grunde die Aufgabe der Wissenschaft im Hinblick auf das Ganze des Lebens? Sie hat nicht nur für dieses oder jenes Detail Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Sie hat vielmehr diese Lebenswelt, hat die Gesellschaft als ganze auf den Prüfstand zu legen. Das heißt, die Wissenschaft muß die Gesellschaft ohne Grenzen des Weiterfragens, etwa disziplinäre,  zum Gegenstand methodisch kontrollierten Denkens machen. Und alles, was die einzelnen Wissenschaften tun, hat sich vor diesem Hintergrund zu rechtfertigen. Dies aber geschieht unter der übergeordneten Frage, ob man die Welt so lassen soll wie sie ist.
Was also jetzt der Diskussion mit den „Bürgern“ überantwortet wird, ist die erste und wichtigste Aufgabe der Wissenschaft selbst. Eine einzelne Wissenschaft aber kann diese Aufgabe nur wahrnehmen, wenn sie sich, ganz unzeitgemäß, als Teil derjenigen „Wissenschaft“ begreift, deren Gebiet das Ganze des Lebens ist. Diese „Wissenschaft“ nennt man Philosophie.[13]
Das war, ob nun so formuliert oder nicht, common sense unter den Studenten, und es war common sense im Fach Landschaftsplanung bzw. der Landespflege.
Hier war das Verständnis der fachlichen Aufgabe anfangs, also als dieses Fach sich vor über 100 Jahren zu bilden begann, so: Was man in der Landschaft real tat, um sie zu schützen oder wiederherzustellen, hatte eher symbolischen Charakter. Das Erleben nicht zerstörter Landschaft zu ermöglichen diente primär dazu, das Bewußtsein dafür zu wecken, worum es eigentlich ging: die Veränderung des gesellschaftlichen Ganzen.
Man hatte in den Anfängen des Naturschutzes und der Landespflege kaum die Vorstellung, daß sich unter den derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen die Landschaft in einer Weise erhalten oder umgestalten ließe, die von irgendeiner realen ökologischen, ökonomischen oder sozialen Bedeutung wäre. Schutz und Gestaltung der Landschaft war eher Bestandteil einer Politik der Zeichen. Real verändert werden mußte zuerst die Gesellschaft, dann erst konnte Landschaft erhalten oder gestaltet werden.
Das wurde um 1970, als ich Student war, wieder aufgegriffen. Die Ideen von der veränderten Gesellschaft waren andere, waren nicht mehr konservativ, sondern fast durchgängig sozialistisch. Doch bald, unter dem Vorzeichen von „Ökologie“, setzten sich wieder die alten konservativ-zivilisationskritischen Vorstellungen durch. Aber eines blieb doch noch für geraume Zeit: daß man sich eine Umwelt- oder Landschaftspolitik gar nicht anders vorstellen konnte denn als die gesamte Gesellschaft von Grund auf verändernd.
Das änderte sich mit der Domestizierung der Umweltbewegung und der Institutionalisierung der Landschaftsplanung. So sehr die Gesellschaft auch kritisiert wurde als landschaftszerstörend: Sie konnte bleiben wie sie ist.[14] Die Landschaftsplanung stellte sich nur noch eine sehr bescheidene Aufgabe: Bei Fortbestehen der industriegesellschaftlichen Verhältnisse, die die psychische und physische Gesundheit zerstören, wollte sie für Kompensation sorgen – so, wie sie unter den nun einmal vorhandenen gesellschaftlichen Verhältnissen durch Landschaftsschutz und Landschaftsgestaltung möglich ist. Im wesentlichen sollte die Zerrüttung, die von der industriellen Lebensweise ausgeht, in der Freizeit gemildert werden. Ressourcenschutz und in diesem Rahmen Erholung wurden zu den bestimmenden Schlagworten. Um mehr ging es nicht mehr. Dazu reichte der Typ des ingenieurmäßigen Denkens aus, also des Denkens, das zu gegebenen Zielen Mittel entwickelt. Ich wollte diese Entwicklung nicht mitmachen.

Für die Konsequenzen, die ich für meine Tätigkeit an der Hochschule zog, spielt aber außer diesem teils Fachspezifischen, teils Allgemeinpolitischen noch etwas anderes eine Rolle. Auf die skizzierte Idee von der Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft kam man ja nicht erst zu meiner Studentenzeit. Sie ist vielmehr das, was schon seit 200 Jahren die Idee der (deutschen) Universität ausmacht:
Der primäre Sinn von Wissenschaft ist, daß sie bildet, aber nur diejenigen, die sie betreiben, nicht die, die sie konsumieren. Dieses Sich-selbst-Bilden macht die gemeinsame Tätigkeit von Studenten und Professoren aus. Es geschieht im Dienste der außeruniversitären Praxis, hat nichts mit wissenschaftlichem Elfenbeinturm zu tun. „Selbstdenkende Staatsdiener“, wie es hieß, sollten sich zu eben solchen an der Universität selbst bilden, indem sie, als Studenten, eine Zeitlang an der wissenschaftlichen Forschung teilnehmen. Und Forschung hieß vor allem, daß man die Ideen, von denen man sich dann in seinem Handeln leiten läßt, selbst erzeugt. Und das heißt, daß man keinen Gedanken kritiklos übernimmt und daß dem Fragen keine Grenze, auch keine disziplinäre, gesetzt ist. Nur was auf diese Weise entsteht, darf „Bildung“ heißen.[15]
Nun taugt aber bekanntlich die Wissenschaft in dem Maße, wie sie sich spezialisiert, zur Bildung nicht mehr. Der Begriff des Wissenschaftlers, gerade des, wie es im modischen Jargon heißt, exzellenten, wird tendenziell deckungsgleich mit dem des Fachidioten.[16]
Ich habe das selbst erfahren müssen, denn ich habe Biologie studiert. Ich habe dann aber auch etwas anderes erfahren dürfen. Als ich in das Umfeld der Landschaftsplanung wechselte – in meiner Doktorandenzeit – wurde mir bewußt, daß es Fächer gibt, in denen ziemlich genau das alte Humboldtsche Programm aktuell ist und auch möglich ist. Hier muß man nicht Kurse in der Art eines Studium Generale anbieten, damit die Studenten neben ihrem eigenen Fach auch eine gewisse Allgemeinbildung erhalten, die ihnen vielleicht im Leben hilft, aber in der Regel in ihrem eigenen Fach nicht das geringste nützt. Sondern hier ist die rein fachliche Qualität abhängig vom Horizont, den einer hat. Zwar hat ein Landschaftsplaner auch Aufgaben, für die es sehr spezielle Kenntnisse braucht, aber vor allem muß er in der Lage sein, mit einer unabsehbaren Vielfalt von verschiedenartigen Problemen, wie sie eben „im Leben“ auftreten, umzugehen.
Eine weitere Implikation der deutschen Universitätsidee: Wenn man als die primäre Funktion von Wissenschaft an der Universität Bildung, und zwar Selbst-Bildung begreift, so impliziert das, daß Wissenschaft kein Beruf sein kann, den man ausübt, weil man dafür bezahlt wird oder um als jemand zu gelten. Man betreibt sie aber auch nicht um des Vergnügens willen, das sie bereiten mag. Sondern umgekehrt: Wenn sie einem ein gutes Gefühl verschafft, dann weil sie für eine sinnvolle Tätigkeit erachtet wird.[17] Eben darum ist sie eine Einheit mit dem Leben des Wissenschaftlers.
Die Isolation der Disziplinen voneinander war zu Humboldts Zeiten natürlich noch kein Problem, wohl aber die Isolation der Wissenschaft vom Leben der Gesellschaft und vom eigenen Leben des Wissenschaftlers. Und darauf hat die Humboldtsche Idee eine Antwort gegeben, an der man, wenigstens als Idee, wenn auch kaum in der Realität, bis vor etwa 20 Jahren festhielt. Man hat sich seitdem von dieser Idee radikal abgewandt. In manchen Fächern gab es dafür vielleicht sogar einige gute Gründe.
In einem Fach wie der Landschaftsplanung aber ist dafür keinerlei Grund zu sehen. Die Beschränkung auf ein Spezialfach ist hier nicht von der Sache gefordert, und die Isolation vom Leben ist definitionsgemäß ausgeschlossen.
Auch weil mir die Humboldtsche Universitätsidee viel bedeutete, hatte ich mit einer Stelle in diesem Fach Bedingungen gefunden, wie ich sie mir kaum besser hätte wünschen können.

Natürlich traf ich auf Hindernisse. Welche waren das? Konnte ich damit fertigwerden? Wenn nicht – warum nicht? Ich will das unter den drei folgenden Punkten behandeln; das ist der Hauptteil dieser Vorlesung:
 (1) Das Hindernis der Aufsplitterung in spezialisierte Fachgemeinden
 (2) Das Hindernis der großen Entfernung der zu verbindenden Wissenschaften voneinander
 (3) Das Hindernis der Isolation der Wissenschaft vom Leben.

Zu Punkt (1) Das Hindernis der Zersplitterung in spezialisierte Fachgemeinden
Was eben noch eine Gemeinde war, teilt sich in zwei und schon nach kurzer Zeit wird es manchmal unmöglich, auf dem Gebiet der anderen Gemeinde, wo man sich ja eben noch ganz zuhause fühlte, mitzureden, gar etwas Bemerkenswertes beizutragen.
Ich habe das erfahren müssen. Die ersten 10 Jahre meines Lebens als Wissenschaftler habe ich ausschließlich in der empirischen vegetationsökologischen Forschung gearbeitet. Wenn ich nun nicht mehr nur dies tat – und das konnte ich auf dieser Stelle an der TU München nicht und wollte es auch nicht –, so konnte ich mir keine Hoffnung machen, es auf ausreichendem Niveau weiter zu tun. Doch schien es mir sinnvoll, auch wenn ich überwiegend anderes machte, in Verbindung mit der laufenden Forschung in der Ökologie zu bleiben. Wie? Ich glaubte, auf meinem engeren Gebiet – Invasionsbiologie heißt es heute meist – weiterarbeiten zu können. Hier ging es seit einem halben Jahrhundert und mehr nur sehr gemächlich voran. Ich konnte durchaus die Hoffnung haben, die Fortschritte weiter verfolgen zu können und selbst, wenn auch nur wenig, daran mitzuwirken. Nicht vorausgesehen hatte ich, daß dieses Gebiet kurze Zeit später eine regelrechte Explosion erlebte, die es völlig ausschloß, mitzukommen, wenn man sich ihm nicht ganz widmet. Das bereitete mehr und mehr Probleme, denn ich konnte den Leuten, die bei mir mit diesem Thema angefangen hatten, immer weniger helfen. Wir versuchten das einigermaßen auszugleichen durch Kooperation mit Spezialisten, doch befriedigend war das nicht.[18]
Muß man nun den Schluß ziehen, daß es heutzutage unmöglich ist, sich theoretisch und historisch mit einem Fach zu befassen und gleichzeitig in eben diesem Fach selbst zu forschen? Daß dieser Teil von Interdisziplinarität also illusionär ist? Überwiegend ist das sicher so, doch nicht ganz. Weit besser als mittels eigener empirischer oder objekttheoretischer Forschung konnte ich die Verbindung zur ökologischen Forschung da halten, wo es um deren große Züge und ihre Grundfragen geht.
Ich bilde mir z. B. ein, in meinem Buch „Allgemeinen Ökologie“[19] zu ein paar nicht unwichtigen Fragen etwas geschrieben zu haben, was die Forschung weiterbringen könnte (wenn es jemand zur Kenntnis nähme außer den Studenten, die das Buch lesen mußten).
Es ist in der Tat möglich, zu Grundfragen eines empirischen Faches beizutragen, gerade ohne selbst noch in ihm empirisch oder objekttheoretisch zu arbeiten, ja, es ist mehr und mehr nur so möglich. In dem Maße, wie sich eine Wissenschaft differenziert, können die das ganze Fach betreffenden Fragen von kaum einem der in diesem Fach arbeitenden Wissenschaftler mehr überblickt werden. Sie werden darum zu einem Spezialgebiet derjenigen, die nicht in, sondern über dieses Fach arbeiten.
So ging es mit dem, was wohl mein Hauptthema war: der Auseinandersetzung zwischen „organizistischen“ und „individualistischen“ Ansätzen in der Ökologie. Diese Auseinandersetzung hat ein halbes Jahrhundert lang ziemlich explizit und dann immer noch implizit die Theoriedebatten in der Ökologie gelenkt und einen nicht kleinen Teil der Arbeit ihrer bedeutendsten Vertreter ausgemacht. An unserem Lehrstuhl sind dazu ein paar Arbeiten entstanden, die sich, meine ich, sehen lassen können. Es wird sie aber wohl kaum einer sehen mögen. Denn eben aufgrund der zunehmenden Differenzierung der Ökologie und der rasanten Entwicklung vieler ihrer Spezialgebiete ist kaum mehr einer in der Lage, den Zusammenhang dieser Fragen mit seinen eigenen zu erkennen.
Hier handelt es sich nur um eine sehr eingeschränkte Form von Interdisziplinarität: den Zusammenhang eines sich aufsplitternden Fachs dadurch zu bewahren, daß man das Fach als Ganzes zum Forschungsthema macht. Größere und ältere Fächer haben meist unter sich eine ganze Reihe von Leuten, die genau das tun (und meist „Methodologen“ genannt werden), bis hin zu regelrechten Subgemeinden. Aber in unserem Fall drohen solche Versuche daran zu scheitern, daß diejenigen, die sich daran beteiligen, so wenige sind und so zerstreut, daß nicht genug Lorbeeren gesammelt werden können, um überhaupt bemerkt zu werden. Das Problem ist hier ein ganz praktisches: schafft man es, ein Minimum an Wissenschaftsorganisation um solche Themen zu etablieren?
Wir sind da durchaus initiativ geworden, national durch Gründung des Theorie-Arbeitskreises der Gesellschaft für Ökologie und auch in der Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie, international durch den Versuch, um das „Handbook of Ecological Concepts“[20] einen Arbeitszusammenhang herzustellen. Doch habe ich den Eindruck, daß es alles in allem immer schlechter um diese Initiativen bestellt ist.
Die Nachwuchswissenschaftler verlassen unter solchen Umständen notgedrungen den Arbeitszusammenhang um das Thema Theorie über die Ökologie. Drei Leute, die auf diesem Gebiet bei uns herausragende Dissertationen geschrieben haben und die entweder habilitiert sind oder es sein werden, sind inzwischen in einem kulturwissenschaftlichen Institut, einem philosophischen und einem theologischen untergekommen. Der Ökologie wird es nicht gut tun, wenn in ihr keiner mehr ist, der über sie als Ganzes nicht nur nachdenkt (das tun etliche), sondern forscht.

Zu Punkt (2): das Hindernis der großen Entfernung der zu verbindenden Wissenschaften voneinander
Nicht nur rasante Spezialisierungsprozesse benachbarter Gebiete führen dazu, daß Interdisziplinarität schwierig ist, sondern auch extrem große Unterschiede in Grundbegriffen, Methoden und Erkenntnisinteressen. Ich meine Unterschiede, wie sie zwischen Geistes- und Naturwissenschaften bestehen. 
Warum habe ich diesen Spagat versucht? Viele werden sagen: Das ist doch ganz unmöglich, das kann nur dilettantisch werden, wo doch schon die Beherrschung z. B. des Gesamtgebiets der Botanik in der Forschung heute unmöglich ist. Nun, dilettantisch wird es sehr oft, muß es aber, erfahrungsgemäß, nicht. Auch uns machten alles in allem solche großen Distanzen weit weniger Schwierigkeiten als die rasanten Spezialisierungsprozesse in benachbarten Gebieten.
Es ist nicht möglich, sich in 7 oder 9 Wissenschaften zugleich so einzuarbeiten, daß man in ihnen arbeiten kann. Aber in zweien zugleich ist es möglich: nämlich in ein Spezialfach, z. B. die Ökologie, und außerdem noch in die Philosophie (oder eines ihrer Teilgebiete wie die Wissenschaftstheorie). Das schaffen recht viele und es ist in etlichen Disziplinen normal, daß philosophische Kenntnisse in oft beträchtlichem Umfang dazugehören; keiner hält das dort, wie hier in Weihenstephan, für Luxus. Sie gehören so selbstverständlich zu den Grundlagen wie etwa in Physik und Chemie die Mathematik. Natürlich entstehen da keine Arbeiten, die unter Philosophen auch nur zur Kenntnis genommen würden. Aber man kann, wenn philosophische Aspekte des eigenen Faches vorkommen, doch einigermaßen Brauchbares liefern – ähnlich wie ein Biologe keine Arbeiten schreiben kann, die unter Chemikern beachtet werden, aber doch solche, deren chemische Aspekte den Chemikern hinreichend solide vorkommen.
Also, warum habe ich das – die Verbindung von insbesondere methodologisch so weit voneinander entfernten Gebieten – versucht?[21] (1) Aus dem schon ganz zu Anfang genannten Grund: Das, was man sich in den Planungswissenschaften von der Bürgerbeteiligung erhoffte, nämlich die Beschränkung auf die enge Auftraggeber- und Fachperspektive zu durchbrechen, ist tatsächlich nicht  so  zu erreichen, sondern nur durch wissenschaftliche Reflexion dieser Perspektiven. (2) Ich hatte – mit meiner Habilitation – die Ökologie selbst, und nicht die Gegenstände der Ökologie, zu meinem Forschungsthema gemacht. Das bedeutet, und ich habe einige Zeit gebraucht, das zu kapieren, daß man das Fach wechselt. Über Ökologie zu schreiben ist etwas vollkommen anderes als Ökologie zu betreiben. Wissenschaftssystematisch ist man dann vor allem in der Geschichtswissenschaft und in der Philosophie bzw. Wissenschaftstheorie. Ich war unbeabsichtigt in ein anderes Fach geraten. Von diesem aus war es aus methodologischen Gründen dann auch nicht besonders schwer, auf manchen kulturwissenschaftlichen Gebieten zu arbeiten, nicht so schwer jedenfalls, wie in die empirische ökologische Forschung zurückzukehren.

Nun habe ich eben gesagt, daß man in zwei Fächern durchaus einigermaßen zuhause sein kann. Es ist also keineswegs möglich, sich mit der ganzen Breite des Spektrums der Wissenschaften in der Forschung zu befassen, die in der Landschaftsplanung von größerer Relevanz sind, und das haben wir auch nicht getan. Um vieles haben wir uns überhaupt nicht gekümmert, z. B. um das, was sich in der Landschaftsplanung mit Psychologie oder empirischer Sozialforschung berührt. Und etwas, um das ich mich zu Beginn meiner Tätigkeit aus eher zufällig-historischen Gründen kümmern mußte, habe ich versucht loszuwerden. Ich meine die Planungswissenschaften im engeren Sinn.
Der Lehrstuhl umfaßte bei seiner Gründung beides: Ökologie und Landschaftsplanung. Das war damals noch möglich. Die Ökologie wurde aber mit der Errichtung des Lehrstuhls für Vegetationsökologie zum großen Teil ausgegliedert. Darum hatte, als ich den Lehrstuhl für Landschaftsökologie übernahm, die Landschaftsplanung in ihm das Übergewicht. Ich verstehe aber von Planungswissenschaft im engeren Sinne kaum etwas und war deshalb auch den am Lehrstuhl und um ihn herum anwesenden Planern keine Hilfe; sie arbeiteten ganz in eigener Regie. Auch schätzte ich sowohl Talent als auch Neigung so ein, daß ich kein Planungswissenschaftler mehr hätte werden können, und sei es nur in Hinblick auf die Anforderungen der Grundlehre.
Wegen der zentralen Stellung der eigentlichen Planungswissenschaft für den Studiengang habe ich darauf hingearbeitet, daß die Landschaftsplanung als eigener Lehrstuhl institutionalisiert wurde. Dies mit dem wohl auch anderswo einsichtigen Argument, daß die Einheit Planung-Ökologie, die zur Zeit von Herrn Haber noch in einer Person möglich war, vor allem durch die Entwicklung der Planungswissenschaft immer schwieriger bis unmöglich geworden ist. Da etliche andere auch in diese Richtung arbeiteten, vor allem Herr Spandau von der Allianzstiftung, hat das schließlich auch geklappt.
Dagegen sah ich, daß ich auf einem anderen Gebiet für die Landschaftsplanung durchaus einiges leisten könnte, was ich – wenn auch leider nicht gerade viele der Kollegen – für nicht weniger wichtig hielt. Das ist das Gebiet der Theorie der Landschaft, ist vor allem die Frage, was das eigentlich für ein Gegenstand ist, mit dem sich Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur zu befassen haben. Und Landschaft ist kein ökologischer, sondern ein kulturwissenschaftlicher Gegenstand. Viele Ökologen und Landschaftsplaner meinen zwar, es sei anders, aber nur, weil sie die einschlägige wissenschaftliche Diskussion nicht zur Kenntnis nehmen, und die findet nicht in ihren Fächern statt. Ich konnte das aufgrund der Berührung, die ich bei meinen ökologiehistorischen Arbeiten mit dieser Frage hatte, auch aufgrund einer gewissen Kenntnis der entsprechenden Diskussionen in der Geographie sowie in Philosophie und Kulturwissenschaften, von vornherein mit Sicherheit sagen.
Aufgrund dieser Berührung hatte ich auch soviel Einblick, daß ich sagen konnte: Was es in der Landschaftsplanung und ihrem Umkreis zur Frage gibt, was Landschaft für ein Gegenstand sei, genügt den Ansprüchen eines Faches, dessen zentraler Gegenstand eben die Landschaft ist, bei weitem nicht. Dieses Fach kann auf Dauer so nicht bestehen. Auch ist ein Studium von Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur nicht möglich, ohne daß dieses Thema großen Raum einnimmt.[22] Ein solches Studium wäre sonst vergleichbar einem Biologiestudium, in dem das Thema Evolution, von dem man doch sagt, es sei die Grundlage dieses Faches, nicht vorkommt.[23]
Unser zentrales Thema wird aber in Zukunft kaum mehr vorkommen. Mit dem Lehrstuhl, jedenfalls mit dem, was sein Kern war, eben das Thema „Landschaft als kultureller Gegenstand“ und dem Verhältnis von Ökologie und eben diesem Gegenstand, geht es ja  nicht weiter. Nach außen sieht es zwar nach dem höchst seltenen Fall aus, als ob die Professur sogar zwei Nachfolger hätte. Tatsächlich aber hat sie keinen.
Mir wird öfter gesagt:  Emeritierte Professoren sind in aller Regel unzufrieden, denn ihr Nachfolger macht nicht ganz genau das, was sie selbst machten; aber irgendwie Landschaftsökologie würden meine Nachfolger ja auch betreiben. Tatsächlich ist es in unserem Fall aber ganz anders. Es geht nicht darum, daß nicht „genau das“ gemacht wird, was bisher gemacht wurde. Ein passender Vergleich wäre ein wirtschaftswissenschaftlicher Lehrstuhl, der sich mit ökonomischen Problemen der chemischen Industrie befaßt. Die Stelle wird nun mit einem Chemiker besetzt und man sagt ihm: Was haben Sie denn, Ihr Lehrstuhl ist doch wiederbesetzt worden, es geht immer noch um Chemie.
Mit dieser Abschiedsvorlesung wird dieser Lehrstuhl also zu existieren aufhören. Das trübt meine Bilanz natürlich. Eine Sache ist mir nämlich ganz und gar mißraten: hier in Weihenstephan die Kollegen außerhalb des Lehrstuhls vom Sinn dessen zu überzeugen, was wir machen. Beim WZW insgesamt war das ja nicht zu erwarten, auch beim Department nicht.[24] Da muß ich mir nichts vorwerfen. Aber in der Studienfakultät wäre sicher mehr möglich gewesen, so daß es nicht dazu gekommen wäre, daß sie nun zwei zusätzliche Biologie-Lehrstühle hat, aber etwas für das Fach Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung Essentielles ganz wegfällt. Was dessen zentraler Gegenstand ist, die Landschaft, das wird als Forschungsgebiet – und das ist etwas ganz anderes, als daß die verschiedenen Kollegen natürlich Meinungen dazu haben und sich Gedanken machen – nicht mehr vorkommen, und es wird darum in der Lehre kaum mehr eine Rolle spielen. Das ist keine Kleinigkeit.[25]
Wenn ich der Bilanzierung vorgreifen darf: Sie wird so ausfallen, daß ich, wenn ich jetzt diese Vorlesung beende, kaum Befall erwarten kann: Ich selbst habe hier eine gute Zeit gehabt, habe sehr viel von dem verwirklicht, was ich mir vorgestellt habe. Aber aus der Perspektive derer, die hier studieren und arbeiten, sieht die Bilanz nicht so gut aus, denn ich hinterlasse hier nichts.
Zurück zur Frage, wie es uns mit dem Thema „Theorie der Landschaft“ ergangen ist. Wie angedeutet: Es ging dabei nicht darum, etwas neu zu beginnen, sondern das, was in anderen Fächern längst da war, in unser Fach hereinzuholen. Das heißt, die Aufgabe war, die Isolation unseres Faches von den Gebieten, in denen in Bezug auf den eigenen zentralen Gegenstand unseres Fachs die Musik spielt, aufzubrechen. (Ich bin natürlich nicht der erste gewesen, der das versucht hat[26].) Diese Isolation aber ist, was die wissenschaftliche Substanz des Faches angeht, dessen größtes Problem.
Ich habe gesagt, daß die Art von Hindernis, von der ich eben spreche, nämlich die extreme paradigmatische, insbesondere methodologische Distanz der zu verbindenden Wissenschaften, sich erstaunlich gut bewältigen ließ. Eine ganze Reihe von Arbeiten wurden geschrieben, die, und da bin ich mir sehr sicher, auch in Fächern akzeptiert werden müssen, die im weitesten Sinn kulturwissenschaftliche sind, und teils dort durchaus als nicht ganz unbedeutend angesehen werden müßten.
Erstaunt hat mich auch, in welchem – von mir nicht erwarteten – Maße es möglich war, daß manche junge Wissenschaftler natur- und geisteswissenschaftliche Studentenarbeiten gleichermaßen überblicken und betreuen konnten. Es war nicht nur so, daß ich, aufgrund der Zufälle einer besonderen Biographie, einen Haufen heterogenster Spezialisten irgendwie überschauen und zusammenhalten konnte, sondern daß das gar nicht so wenige von denen, die am Lehrstuhl arbeiteten, auch konnten; man kann das offenbar lernen.
Nun werden, wie schon gesagt, manche meinen, daß ein Spagat dieser Art gar nichts Besonderes sei; jeder, der Landschaftsplanung als Wissenschaft betreibt, mache das doch ständig. Er muß sich, oft in ein und derselben Arbeit, z. B. mit ökologischen Funktionen und mit dem Landschaftsbild und mit Kulturdenkmälern befassen.
Nun, diese Arbeiten mögen die Diskussion unter den Landschaftsplanern durchaus beeinflussen. Meine Frage war aber: Sind solche Arbeiten wissenschaftlich relevant, und unter welchen Bedingungen sind sie es? Viel zu wenig bedacht wird, daß über die Frage, ob die Ergebnisse wissenschaftlich von Belang sind oder ob sie unter diesem Gesichtspunkt auch hätten unterbleiben können, nicht in der Gemeinde der Landschaftsplaner entschieden wird. Die Maßstäbe werden anderswo gesetzt, und das muß man zur Kenntnis nehmen und die Konsequenzen ziehen. Hier vor allem lag mein Ehrgeiz, und es verschafft mir ein sehr gutes Gefühl, daß das erheblich besser gelungen ist, als ich es erwartet hatte.
Wir haben hier keine großartigen neuen Gedanken entwickelt, weder ich noch meine Mitarbeiter. Die Grundgedanken haben wir im wesentlichen übernommen, aber sie wurden doch hier in einer ganzen Reihe von Fällen in einer Weise im Detail durchgeführt, die sich, wie ich meine, halten kann auch da, wo die Maßstäbe gesetzt werden. Das hatte natürlich seinen Preis. Der lag nicht zuletzt darin, daß an Doktorarbeiten lange bis sehr lange geschrieben wurde. Ich hoffe, daß sich das auf längere Sicht auch für die Doktoranden auszahlt und nicht nur – das hat es schon – für mich.
Ich möchte zwei Gründe dafür nennen, warum das meines Erachtens so gut gelungen ist.
(1) Wir haben, sagte ich schon, die entscheidenden Gedanken übernommen.[27] Wir haben vor allem eine bestimmte Theorie übernommen. In der erscheint vieles, was wissenschaftstheoretisch extrem weit voneinander entfernt ist, als  Ausdifferenzierung ein und derselben grundlegenden Denkfigur – ob nun jemand über ästhetische Fragen in der Geschichtsphilosophie von Herder arbeitete, über mit Ruinen im Landschaftsgarten verbundene politische Utopien oder über die Vorstellungen, die Vegetationskundler von der Sukzession von Pflanzengesellschaften haben. So gesehen war unsere Forschung also gar nicht so heterogen, wie es zunächst scheinen mag; sie war weithin nur das Durchdeklinieren ein und derselben Figur im Hinblick auf verschiedene Gegenstandsbereiche.
(2) Der zweite Grund für das Gelingen dieser Arbeiten liegt auf ganz anderer, nämlich praktischer Ebene, und er wird vielleicht manche erstaunen: Ich habe keine Forschungsprojekte durchgeführt. Nicht, daß meine Anträge abgelehnt worden wären: Ich habe keine gestellt. Die Forschung wurde betrieben von Leuten auf Universitätsstellen und vor allem von Stipendiaten. Eine Folge ist, daß man Doktoranden bekommt, die ihr eigenes Thema bearbeiten, das, was sie interessiert, das, was sie häufig von den ersten Semestern ihres Studiums nicht mehr losläßt. Eine andere Folge ist, daß man so im Großen und Ganzen weit überdurchschnittliche Doktoranden bekommt. Das liegt einfach daran, daß Doktoranden kaum eine Chance auf ein Stipendium etwa bei der Studienstiftung oder dem Cusanuswerk haben, wenn sie nicht als Studenten Jahrgangsbeste waren oder Ähnliches vorweisen können.
Ich möchte an dieser Stelle eine Geschichte einschieben, die überleitet zu Fragen hochschulpolitischer Art, die ich in meinem dritten Punkt ansprechen will. Vor einigen Jahren hat das Wissenschaftszentrum Weihenstephan (WZW) die Professoren in eine Rangordnung gemäß ihrer, wie es hieß, Leistung bringen wollen. Kriterium sollte erst – natürlich – die Menge der eingeworbenen Drittmittel sein. Weil sich bestimmte im WZW einflußreiche Fachrichtungen gegenüber anderen dadurch systematisch benachteiligt sahen, nahm man davon Abstand und legte als Kriterium einfach die Zahl der Wissenschaftler an einem Lehrstuhl zugrunde, egal wie finanziert, ob über Drittmittel oder über Stipendien oder anders. Wäre man bei den Drittmitteln geblieben, wäre ich im unteren Drittel oder gar Viertel gelandet. Nun aber war ich im oberen Drittel. Und wenn man die Zahl der am Lehrstuhl arbeitenden Wissenschaftler zu den aus Universitätsmitteln bezahlten ins Verhältnis setzt, dann war ich unter den etwa 70 WZW-Professoren auf dem dritten Platz. Vor mir lag, nebenbei, Herr Schröder von der Wildbiologie, die man kurz darauf abschaffte.
Man kann daran nicht nur sehen, welche Bedeutung Ranglisten dann haben, wenn sie mit den Machtverhältnissen nicht zusammenstimmen. Es läßt sich daran auch sehen, welch grotesker Unfug das Ranking überhaupt ist. Denn man kann durch nur wenig veränderte Kriterien, so daß die neuen jeder für genauso sinnvoll oder unsinnig ansehen muß wie die vorigen, von einem völligen Versager zu einem Spitzenwissenschaftler mutieren und umgekehrt.
Diesen umgekehrten Weg, den nach unten, hätte ich genommen, wenn man, was ja ebenfalls naheliegt, aber ebenfalls aus dem genannten Grund der Benachteiligung bestimmter Fachrichtungen verworfen wurde, die sogenannte Publikationsleistung als Kriterium genommen hätte. Darauf muß ich eingehen, weil das für Versuche interdisziplinärer Forschung eine überaus große Rolle spielt.
In der einschlägigen Literatur wird genau das als das Haupthindernis für diese Art von Forschung gesehen: Das üblich gewordene, hauptsächlich auf der sogenannten Publikationsleistung beruhende Reputationssystem berücksichtigt diese Art von Forschung systematisch nicht. Wissenschaftler müssen in (internationalen) Zeitschriften publizieren, und Zeitschriften gibt es für Disziplinen, nicht für temporäre Problemgemeinschaften, oder für diese allenfalls dann, wenn sie sehr lang existieren.[28] Darum müssen die Wissenschaftler in den Organen ihrer Herkunftsdisziplinen publizieren, müssen sich darum den Problemen ihrer Herkunftsdisziplinen widmen, und das zerreißt Ansätze interdisziplinärer Forschung immer wieder.
Das beklagt man ständig und es hat auch uns schwer zu schaffen gemacht. Sammel- und Tagungsbände sind von der Sache her die typischen Publikationsorte interdisziplinärer Forschung, aber die zählen heute nicht mehr.
Wir haben notgedrungen in letzter Zeit versucht, auch in Zeitschriften zu publizieren, und es ist deprimierend, die Erfahrung machen zu müssen, von Gutachtern beurteilt zu werden, die nicht die geringste Ahnung von dem haben, was sie da begutachten sollen. Und gezwungen zu sein, das Niveau immer weiter zu senken, zu popularisieren, damit auch ein der Sache vollkommen Fremder vielleicht doch etwas versteht – eine Erfahrung, die Angehörige „normaler“, homogener Disziplinen oder Forschergruppen gar nicht haben können. Aber nicht nur daß man so weit vereinfachen muß, bis alles Interessante aus dem Text verschwunden ist: Man ist gezwungen, sich zu verbiegen, nicht zu schreiben, was man für richtig hält, sondern was man meint, daß der Gutachter lesen möchte.
Dabei will ich aber nicht verschweigen, daß man meist in den Zeitschriften, in denen die Gutachter Ahnung haben, auch keine Chance hätte. Denn für die ist man oft wirklich zu schlecht oder das Thema, das ja nur in einem bestimmten interdisziplinären Kontext, im allgemeinen in einem Anwendungszusammenhang, relevant ist, ist in diesen Zeitschriften allzu randständig und interessiert nicht.
Das sind Hindernisse, die einem ständig ein schlechtes Gewissen verschaffen, weil man Nachwuchswissenschaftler auf einen steinigen Weg gelockt hat, wo es doch auch recht glatte Wege für sie gegeben hätte.
(Das folgende habe ich nachträglich eingefügt:
Man wird gegen all das vielleicht einwenden: Die Abhängigkeit vom Urteil anderer, der Zwang, sich einzuschleimen, wenn man Karriere machen will, ist doch nichts Neues und nichts für interdisziplinäre Forschung Spezifisches. In jedem Fach und gerade im alten Universitätssystem war bzw. wo die alten Regeln noch gelten, ist die persönliche Abhängigkeit der Nachwuchswissenschaftler vom Doktorvater oder Institutsleiter außerordentlich groß, sie müssen sich ganz und gar nach dem richten, das der haben möchte. Das stimmt, aber mit der Abschaffung dieser Abhängigkeit, mit der Anonymisierung des Gutachterwesens – mit der Einführung von (a) Graduiertenschulen und (b) kumulativen Doktorarbeiten ist dieser Wandel prinzipiell vollzogen[29] – ist eine neue und meines Erachtens viel gefährlichere Abhängigkeit entstanden. Den Professor, in dessen Abhängigkeit sich der Nachwuchswissenschaftler begibt, kann sich dieser immerhin selbst aussuchen. Er muß nicht zu einem gehen, der einer Schule angehört, die er von Grund auf ablehnt. Aber in den anonymisierten Verfahren muß er sich von Angehörigen auch dieser Schule beurteilen lassen. Er wird nichts mehr schreiben, was irgendwo anecken könnte. In vorauseilendem Gehorsam werden nur noch Arbeiten entstehen, die auf der Linie des vermuteten mainstreams liegen.)

Noch etwas zum Publizieren, das mit Interdisziplinarität nichts zu tun hat, für den Erfolg, genauer den längerfristigen äußeren Erfolg des Lehrstuhls aber die größte Bedeutung hat. Es ist die politisch gewollte, doch auch unabhängig davon wohl unaufhaltsame Entstehung einer einheitlichen Englisch und nur Englisch sprechenden Wissenschaftskultur. Unsere Arbeiten zum Thema Landschaft sind aber fast alle deutsch. Was wir gemacht haben, wird darum heute schon kaum mehr wahrgenommen, und es wird in Vergessenheit geraten. Übersetzungen würden ein wenig helfen, aber nicht viel, denn es ist nicht nur ein Problem der Sprache, sondern vor allem der wissenschaftlichen Kultur. Für diese spielt beispielsweise die Prägung durch unterschiedliche Schulen eine große Rolle, in unserem Fall aber auch bereits, daß „Landschaft“ in verschiedenen, sogar sehr ähnlichen Kulturen (z. B. der deutschen und der französischen) sehr verschiedene Bedeutungen hat[30] – etwas, was in einer Naturwissenschaft natürlich keine Rolle spielt und in seiner Bedeutung für uns dort nicht verstanden wird.
Eine ähnliche Situation werden manche von Ihnen kennen: In der Vegetationskunde war vor wenigen Jahrzehnten das Ende einer eigenständigen mitteleuropäischen Wissenschaftskultur gekommen und man schloß sich der angloamerikanischen an. Auch da konnte man nicht einfach zum Schreiben in englischer Sprache übergehen, denn die mitteleuropäische Vegetationskunde unterschied sich, weil dominiert von einer bestimmten Schule der Pflanzensoziologie, in ihrer ganzen Denkweise sehr stark von der angloamerikanischen. Der Unterschied zu unserem Fall ist nur: Man kann nicht leugnen, daß die angloamerikanische Vegetationskunde zu jener Zeit deutlich überlegen war. Der Untergang der mitteleuropäischen Richtung bedeutete für die mitteleuropäische Wissenschaft einen wissenschaftlichen Fortschritt. Das aber ist beim Thema Landschaft gerade umgekehrt. Dieses Thema gehört zu den wenigen in den Wissenschaften insgesamt, die immer eine deutsche Domäne waren und es geblieben sind. Noch kurz vor 1970 waren etwa 90 % der wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Thema deutsch[31], und die deutschsprachige Diskussion ist auch heute noch der englischsprachigen – die hier keineswegs die internationale ist, sondern die der regionalen Kultur englischsprachiger Länder – überlegen. Das alles wird in Vergessenheit geraten und die Arbeit hier an unserem Lehrstuhl wohl auch.

Jetzt zu meinem dritten Punkt: Das Hindernis der Isolation der Wissenschaft vom Leben. Also das, was
(a) zu den neueren Versuchen unter der Überschrift Transdisziplinarität Anlaß gegeben hat, aber
(b) auch bereits zur Humboldtschen Universitätsreform.

In der Diskussion um Transdiziplinarität geht es vor allem um die Isolation der Wissenschaft von derjenigen (meist professionalisierten) Praxis, in der ihre Ergebnisse wirksam werden sollen. In der Universitätsidee geht es vor allem um die Isolation der Wissenschaft vom Leben der Wissenschaftler. Wenn die überwunden werden soll, dann geht es praktisch um das universitäre Leben, um die Einheit und Freiheit von Forschung und Lehre.
Zu Punkt (a), der Isolation der Wissenschaft von derjenigen Praxis, in der ihre Ergebnisse wirksam werden sollen. Was wollte ich in dieser Hinsicht tun? Man denkt hier natürlich zuerst an unmittelbar praxisorientierte Forschung, wie es die im Umkreis der Landschaftsplanung betriebene in aller Regel ist.
Auf Landschaftsplanung orientierte ökologische Forschung in dem Sinne, daß ich für den von den in der Praxis Tätigen selbst formulierten Bedarf geforscht hätte, wollte ich nicht machen. Das können andere besser, und ich kann etwas anderes besser. Dennoch ist so etwas am Lehrstuhl gemacht worden. Ich habe damit im wesentlichen auf das reagiert, was man an Interessen an mich herangetragen hat.
Wir haben aber auch etliches gemacht, was manche als praxisfern bezeichnen würden und was doch einigen Einfluß auf die Praxis hatte und hat. Das betrifft in letzter Zeit vor allem unseren Beitrag zu verschiedenen Schriften, die vom Bundesamt für Naturschutz herausgegeben wurden und von denen die bekannteste der Argumentenetz-Band ist. Ich hoffe, daß unsere Arbeiten zum Thema Wildnis  allmählich eine ähnliche Wirkung auf die Diskussion vor allem unter Naturschützern haben. Es geht bei all dem darum, daß sich Naturschutz nicht als angewandte Ökologie verstehen kann, sondern daß er eine kulturelle Aufgabe ist und die Ökologie nur in diesem Rahmen ihren (bescheidenen) Platz finden kann. Sollte sich diese Einsicht in etwas weiteren Kreisen durchsetzen, wird das ganz erhebliche Wirkungen auf die Naturschutzpraxis haben.
Auch unsere Rekonstruktionen der Ökologiegeschichte waren nicht ohne Wirkung auf die Praxis. Als ich anfing (in den frühen 80ern), die organizistischen Vorstellungen in der Ökologiebewegung zu kritisieren und zu argumentieren, daß diese ganze Weltanschauung, die ja glaubte, auf dem festen Boden einer Naturwissenschaft zu stehen, tatsächlich auf ziemlich tönernen Füßen steht, war die Reaktion vieler heftigste Abwehr. Aber auf längere Sicht habe ich doch dazu beigetragen, daß man heute in weiten Kreisen weiß, daß die Mythen der Ökologie-Weltanschauung vom großen ökologischen Gleichgewicht in der Wissenschaft Ökologie selbst nicht unumstritten sind. Und daß sie mit bestimmten Ideologien verbunden sind, in deren Nähe man in diesen Kreisen meist nicht gesehen werden will. Mittlerweile herrscht unter den Naturschützern eher die Meinung vor, daß es so etwas wie ökologische Gleichgewichte überhaupt nicht gibt, eine Auffassung, aus der sich schließlich der sogenannte Prozeßschutz entwickelt hat. Ich halte davon nicht viel, aber ich bin nicht ganz unschuldig daran.
Hier sieht man etwas, was gerne übersehen wird, wenn es um Praxisrelevanz geht. Unmittelbar praxisorientierte Arbeiten haben oft eine große Wirkung auf konkrete, aber sehr begrenzte Dinge, die in der Praxis getan werden, etwa bestimmte Projekte. Praxisbezogene theoretische Arbeiten, wie wir sie machten, haben meist nur eine kleine, dann aber Grundorientierungen betreffende Wirkung, so daß kaum etwas davon unberührt bleibt. Leider sind diese Wirkungen manchmal ganz andere als die beabsichtigten.
Ich will an dieser Stelle eine Bemerkung einschieben dazu, was das denn überhaupt sein soll: Praxis. Wer in der Landschaftsplanung dieses Wort benutzt, denkt  im allgemeinen an ein unmittelbares Zuarbeiten für die institutionalisierte Landschaftsplanung. Werden Fragen beantwortet, die die Büroinhaber oder Behördenleiter selbst formulieren? Werden die Studenten so ausgebildet, daß sie die Wünsche dieser Leute befriedigen? Für die Praxis ist besonders wichtig, sagt man immer, daß man sich mit GIS gut auskennt, denn das wird in den Büros gebraucht.
Aber die Praxis, auf die wir uns beziehen müssen, ist etwas viel weiteres als die etablierte Landschaftsplanung. Es gehört auch noch dazu:
Die Praxis der Naturschützer im allgemeinen.
Die Praxis der Umweltschützer, die sehr verschieden sein kann von der der Naturschützer.
Die Umweltpolitik – die professionelle der Politiker und die davon sehr verschiedene der „Bewegung“.
Und die Praxis z. B. der Umweltbildung oder überhaupt der „Diskursteilnahme“, die darin besteht, das Denken über all dies zu beeinflussen.
Was davon wichtiger ist, läßt sich nicht sagen. Wenn die Vertreter „der“ Praxis immer wieder darauf beharren, wir sollten doch das in den Mittelpunkt (in Lehre und Forschung) stellen, was man in „der“ Praxis – und gemeint ist die der Büros und Behörden – braucht, so zeigt sich darin eine bedenkliche Horizontverengung.
Ich habe die in gewisser Weise mitgemacht, nämlich in der Lehre. Das ist es, was ich mir vielleicht am meisten vorwerfe: In unzähligen Gesprächen mit Studenten war mir klar: Hier müßte ich eigentlich über ganz andere Dinge reden. Aber ich habe, unter dem Druck der Berufsschulmetalität, die sich in den letzten 2-3 Jahrzehnten in unserem Fach ausgebreitet hat, doch immer mit „das braucht ihr im Beruf“ argumentiert, und mit Beruf habe ich die tägliche Büropraxis gemeint.

Zum Punkt (b), der Isolation der Wissenschaft vom Leben der Wissenschaftler, also praktisch zur Frage das universitären Lebens, vor allem zur Einheit und Freiheit von Forschung und Lehre. Es ist offensichtlich, daß davon heute nicht mehr viel übrig ist. Niemand hätte vor 50 oder 100 Jahren in Deutschland eine heutige Universität eine Universität genannt. Denn diese Einheit und Freiheit war eben das Definitionsmerkmal der Universität. Fachhochschule war ein damals üblicher Begriff für das, was wir heute unter dem Namen Universität haben.
Es ist, nebenbei, insbesondere falsch zu sagen, eine „unternehmerische Universität“ – also eine sich als Unternehmen verstehende Universität – sei ein neues Modell für die Universität. Eine Universität ist eben kein Unternehmen; wird aus ihr eines gemacht, dann ist das keine Universität mehr. Wer anderes behauptet, beweist nur seine historische und bildungswissenschaftliche Ahnungslosigkeit.
Mit dem Ende der Einheit von Forschung und Lehre ist der Wissenschaftler bereits von der Hälfte seines beruflichen Lebens isoliert. Forschung ist das, worüber er sich definiert, woran man ihn mißt und was er auch freiwillig macht. Zur Lehre muß er gezwungen werden. Die Lehre ist von der Wissenschaft getrennt, sie gehört, sagt man, zu deren Systemumwelt. Ganz offiziell wird die Lehre als Belastung bezeichnet. Selbstverständlich versucht man die Belastung loszuwerden (was aber, da man seine Mitarbeiterstellen nur sichern kann, wenn man hohe Belastung hat, zu der absurden Situation führt, daß jeder einerseits die Lehr-„Belastung“ zu verringern sucht und gleichzeitig dafür kämpft, so viele Pflichtstunden wie nur möglich zu haben).
Forschung dagegen gilt offiziell als Leistung. Aber auch Forschung ist nicht mehr, wie ich eben noch behauptet habe, das, was man auch täte, wenn man nichts dafür bekäme, wie es immer selbstverständlich war. Ich habe schon Stechuhren in einem Forschungsinstitut gesehen. Forschung betreibt man also, weil man dazu gezwungen wird. Doch auch ohne solche im Moment noch grotesk anmutenden Extreme: Der normale, durchschnittliche Forscher arbeitet heute nicht frei, sondern unter Zwang. Den Zwang übt die „Karriere“ aus.
Die hat natürlich immer schon eine große Rolle gespielt. Der eine Unterschied ist: Man wußte früher, daß sie keine spielen sollte, sondern daß es um die Wissenschaft gehen sollte. Heute wird dem wissenschaftlichen Nachwuchs von Beginn an eingetrichtert, daß es um die Karriere und nur um sie geht. Der andere: Die Karriere verlangt heute keineswegs wissenschaftliche Leistungen, sondern Indikatoren von Leistungen. Gutachter in Berufungsverfahren pflegen neuerdings nicht mehr (eventuell beginnend mit der Sichtung der Indikatoren) die Leistung zu beurteilen, wozu Urteilskraft und Sachkenntnis erforderlich wären. Sondern sie zählen ab – was, nebenbei, die Folge hat, daß der Einfluß eines Kommissionsmitglieds tendenziell nicht mehr davon abhängt, ob er etwas von der Sache versteht. Sie zählen ab, was der Kandidat an Leistungsindikatoren zu bieten hat: Publikationszahl, Höhe eingeworbener Mittel. 10 Aufsätze, in denen nur Unsinn steht, zählen doppelt so viel wie 5 gute Aufsätze. In normalen Wissenschaften gibt es ein gewisses Korrektiv, nämlich daß im Großen und Ganzen die guten Aufsätze in „höherrangigen“ Zeitschriften stehen. In unserem Fach und in interdisziplinärer Forschung insgesamt ist das aber ganz und gar nicht so, eher umgekehrt.
Ein Beispiel: Einer meiner ehemaligen Mitarbeiter hat ein, wie ich meine, beachtliches Werk geschaffen. Es steht ganz überwiegend in Buchbeiträgen. Nun hat er einen Aufsatz in einer relativ „hochrangigen“ Zeitschrift untergebracht. Es war nur ein Kommentar, eine Art Leserbrief, in ganz kurzer Zeit hingeschrieben, ein Nichts im Vergleich zu jedem anderen Text, den er verfaßt hat – und den er in einer solchen „hochrangigen“ Zeitschrift nie unterbringen könnte. Aber nach den Maßstäben z. B. heutiger Berufungskommissionen macht dieser Leserbrief den größten Teil seiner gesamten wissenschaftlichen Lebensleistung aus.
Ich habe versucht, gegen solche Tendenzen der Entfernung von allem, worin man über Jahrhunderte das Wesentliche wissenschaftlichen und insbesondere universitären Lebens gesehen hat, das Leben am Lehrstuhl in einer Weise geschehen zu lassen, wie es einer Universität angemessen ist. 
Das bedeutet zunächst, daß ich zwei Abwege strikt zu vermeiden versuchte:
(1) daß der Lehrstuhl ein Betrieb ist mit einem Chef,
und
(2) daß er ein Team ist.
Er war statt dessen eine Gruppe von Individuen, von denen jedes sein völlig selbst entworfenes Ziel verfolgte und die sich, wenn es gut ging, beim Anfertigen ihrer Arbeit gegenseitig unterstützten.
Das hatte natürlich seinen Preis. Nicht nur, daß praktische Dinge oft besser klappen, wenn sie einfach angeordnet werden. Vor allem gab es, eben weil das individuelle Interesse an erster Stelle stand, auch Arbeiten, die mit den übrigen nicht so recht zusammenpaßten und deshalb anderswo sicher besser geworden wären. Aber im Kern ergab sich eine intensive Zusammenarbeit und eine rege Diskussion über weiteste disziplinäre Distanzen hinweg und doch auf einigem Niveau, und es gab die Entwicklung eines inneren Zusammenhalts auf Theorieebene, ohne daß gezielt in diese Richtung gearbeitet worden wäre. Irgendwelche formalen Grenzen für die Mitarbeit gab es übrigens nie, ein Student selbst unterer Semester konnte, wenn er wollte und dazu in der Lage war, de facto genauso Wissenschaftler am Lehrstuhl sein wie ein Postdoktorand.
Ich habe auch längere Zeit versucht, die entstehenden Zwänge – insbesondere durch das Publikationswesen – zu ignorieren, aber irgendwann ging es nicht mehr. Es ist, wie ich vorhin gezeigt habe, ein System entstanden, das zur Arbeit unter dem Zwang absurder Regeln zwingt, wenn man nicht überhaupt herausfallen will aus der Wissenschaft. Eingangs habe ich aber gesagt, daß ich mit dieser Professur in diesem Fach nahezu ideale Bedingungen vorgefunden habe, gerade wenn man als Maßstab das Ideal nimmt, das in den Humboldtschen Universitätsprinzipien formuliert ist. Wie paßt das zusammen?
Nun, die Hauptsache ist: Unsere Universität hat sich in den 17 Jahren, die ich hier war, stärker geändert als in ihrer ganzen vorherigen Geschichte. Wie war es damals? Ich sagte: Ich habe im Fach fast ideale Bedingungen gefunden. Ich habe aber auch an dieser Universität recht gute Bedingungen gefunden. Ich habe mir anfangs nicht vorstellen können, froh darüber zu sein, aufhören zu müssen. Jetzt bin ich es.
Die TU München war damals von all den Umwälzungen der vorausgegangenen 25 Jahre, und die waren erheblich, so gut wie unberührt. Sie war eine klassische Ordinarienuniversität. Diesen Universitätstyp habe ich, natürlich, als Student heftig bekämpft. Aber er bietet dem Ordinarius nahezu unbegrenzte Freiheit. Und wenn – aber leider nur wenn – dieser das will, auch den Mitarbeitern und den Studenten.
Das Fach bot noch ein weiteres Element von Freiheit: das Projektstudium. In ihm konnten, jedenfalls in dem Teil, der heute Landschaftsplanung hieß, die Studenten aus einer großen Zahl von Themen frei wählen, und es waren die Mitarbeiter und Doktoranden, die diese Themen ihrerseits frei anboten. Es waren überwiegend Forschungsarbeiten, die die Studenten da machten. Man konnte oft kaum unterscheiden, was Forschung und was Lehre war. Das sieht man auch daran, daß eine ganze Reihe von Projektarbeiten sich zu Diplomarbeiten und Doktorarbeiten weiterentwickelt haben. Ich habe überhaupt Abschlußarbeiten grundsätzlich nicht als Prüfungsarbeiten behandelt, also Arbeiten, durch die festgestellt werden soll, ob jemand zu bestimmten Leistungen in der Lage ist. Sondern ich betrachtete sie als gemeinsame Forschungsarbeiten von mir und dem Studenten. Die wichtigsten Teile meiner Studienprojekte waren mehrtägige Seminare irgendwo auf dem Land. Nach meinem Eindruck waren die dem Ideal eines Universitätsstudiums schon recht nahe, und ich hoffe, manche der damaligen Studenten sehen das ähnlich.
Heute ist das anders. Die allgemeinen Universitätsreformen gingen in eine ganz andere Richtung. Und ich selbst habe immer mehr resigniert, obwohl vielleicht doch noch einiges möglich gewesen wäre in der Nische, die wir ja trotz allem immer noch haben. Etliches haben wir selbst zu verantworten. Zum Beispiel, daß die Vorstellungen von einem guten Projekt sich entfernt haben davon, daß es eine gemeinsame Forschungsarbeit von Dozenten und Studenten sein müßte. Als gutes Projekt gilt vielmehr nun eines, das die gesamte Breite dessen, was im Beruf vorkommt, in sich vereint, und wo möglichst verschiedenartige Experten ihr Wissen einfüttern. Ich hielt das immer für falsch, das ist nicht das, was transdisziplinäres Studium ausmacht. Ich habe aber nicht gekämpft für die alte Auffassung.
Den größeren Teil der Misere aber haben wir nicht selbst zu verantworten. Sie überrollte uns von außen und oben. Das größte Übel ist meines Erachtens, daß die Studienordnungen allesamt einem obersten Prinzip folgen: Sie sind auf die schlechtesten Studenten zugeschnitten. Daß es in den Masterstudiengängen, also in den letzten 2 – 4 Semestern von 10 oder 12, überwiegend anders ist, ändert nichts am Prinzip. Die schlechtesten Studenten sind die, für die Studium und Leben getrennte Dinge sind, die man zum Arbeiten zwingen muß und denen man sagen muß, was sie lernen sollen. Früher, fast 200 Jahre lang, war das Prinzip genau das Gegenteil: Das Studium war auf die besten zugeschnitten, diejenigen, die lernen wollten, weil sie etwas interessierte. Die anderen holten sich halt, was ihnen zugänglich war, oder auch nicht, man kümmerte sich nicht um sie, sie waren erwachsene Menschen und selbst verantwortlich für die Folgen, die die Entscheidung hat, das Angebot der Universität anzunehmen oder nicht.
Wir aber zwingen unsere Studenten zu allem. Wir zwingen die guten Studenten, ihre Zeit mit Dingen zu vergeuden, die sie langweilen und die sie von ihren Lebenszielen aus gesehen auch nicht brauchen und die sie nur machen müssen, weil es aufgrund der Machtverhältnisse im Fachbereich gewissen Professoren gelang, ihre Veranstaltungen in den Pflichtkatalog – und etwas anderes als Pflichtstunden gibt es so gut wie gar nicht mehr – aufnehmen zu lassen. Wir zwingen sie sogar zu dem, was sie fast ohne Ausnahme ganz von selbst tun möchten, z. B. eine Zeitlang im Ausland zubringen. – Nebenbei: Ich hätte in unserem Studiengang nicht Student werden können. Meine familiäre Situation hätte damals einen Auslandsaufenthalt einfach nicht zugelassen.
Der Druck, sagte ich, kam von oben. Er kann von oben in Gestalt des Bologna-Prozesses, er kam von oben auch in Gestalt der Universitätsleitung und das bedeutet, er kam nicht nur von oben, sondern auch von außen, aus anderen Fächern.  Mir scheint darin eine erhebliche Bedrohung für das Fach – ich meine jetzt Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung – zu liegen. Denn es ist ja so: Im gleichen Zuge, wie den Universitäten, d. h. den Universitätsleitungen Autonomie[32] gewährt wurde und sich die Ministerien zurückzogen, womit auch der Gedanke gesamtgesellschaftlicher Notwendigkeit an Einfluß dramatisch verlor – im gleichen Zuge mußten sich die jeweils stärksten Interessen, die es innerhalb der Universität gibt, durchsetzen. Das sind bei uns natürlich die der sogenannten exakten Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften. Man muß gar nicht vermuten, daß diese ihren Einfluß nutzen, um selbst auf Kosten anderer zu profitieren. Es reicht anzunehmen, daß sie ganz aufrichtig das Niveau ihrer Universität heben wollen und dabei in aller Naivität alles mit ihren Maßstäben messen.
Die eindrücklichste Bestätigung dafür erhielt ich vor nicht langer Zeit in einer Kommission der Architekturfakultät. Ein anwesendes Mitglied der Hochschulleitung, ein Ingenieur, bestand eisern und immer eifernder darauf, daß ein Architekturprofessor, ein Entwerfer, mit dem gleichen Maßstab gemessen werden müßte wie ein Naturwissenschaftler und ein Ingenieur, nämlich anhand der Zahl seiner wissenschaftlichen Publikationen. Daß unter Architekten ganz andere Erfolgskriterien bzw. Leistungsindikatoren gelten, daß Publikationen vergleichsweise so gut wie gar keine Rolle spielen, wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Mir kam es vor, als wollten Fußballfunktionäre die Leistung von Skispringern an der Zahl geschossener Tore messen.
Bin ich jetzt nicht sehr weit abgewichen von meinem Thema – transdisziplinärer Lehrstuhl? Ich glaube nicht. Denn was systematisch auf der Strecke bleiben wird, ist alles, was sich aus der Perspektive einer normalen Wissenschaft nicht verstehen läßt und was zwangsläufig anderen Qualitätskriterien folgen muß, wenn nicht Stümperei herauskommen soll. Darum wird allgemein über die Marginalisierung der Geisteswissenschaften geklagt, die ja dem Typus der Normalwissenschaft nicht entsprechen. Es gilt aber in ganz besonderem Maße auch für alles, was mit Inter- und Transdisziplinarität in einem nicht nur trivialen Sinn[33] zu tun hat. So hat sich eine für unser Fach bzw. die Studienfakultät viel gefährlichere Situation ergeben, als sie es immer schon war. Wir sagen ja gern den Studenten, wenn es wieder einmal bedrohlich wird: nicht verzagen, das war bei uns immer so. Aber es ist doch anders geworden.
Natürlich waren wir zu Zeiten der Landwirtschaftlichen Fakultät der Mehrheit lästig, wir wurden mit Naturschutz identifiziert und standen dem im Weg, was die Landwirtschaft meinte tun zu müssen. Nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus politischen Gründen wollte man uns nicht. Aber unser Studiengang war doch höherenorts politisch gewollt, weil gesellschaftlich notwendig, und darum im Prinzip sicher. Aber das spielt heute keine Rolle mehr.
Ich habe die Universitätsreform anfangs hier an der TU München unterstützt. Ich war für die Gründung des WZW und für die sog. Matrixstruktur, d. h. für die Aufspaltung der Zugehörigkeit der Lehrstühle: zu einer Studienfakultät in der Lehre und zu einem Department in der Forschung. Von mir (und Herrn Pfadenhauer) kam der erste Vorschlag zur Gründung eines Departments am WZW, des Departments für Ökologie. Ich glaubte, damit könnten wir dem Druck der Agrarfakultät entkommen. Heute schätze ich das als großen Fehler ein. Forschung und Lehre wurden auseinandergerissen, und die Lehre spielt bei den wichtigen Entscheidungen keine Rolle mehr.
Was die Forschung angeht, so ist das Department für Ökologie innerhalb des WZW marginal, ein Steinbruch für Expansionsbestrebungen anderer, die der Überzeugung sind, so richtige Wissenschaft sei das nicht, was die Ökologen machen. Richtige Wissenschaft sei nur das, was die härteren Wissenschaften, namentlich die vermeintlich härteren Teile der Biologie machen. Innerhalb des Departments aber geht es, sozusagen ein wenig zu den weicheren Wissenschaften hin verschoben, ganz genauso zu. Das hat man z. B. deutlich gesehen, als der Begriff Landschaft aus dem Namen des Departments gestrichen wurde. Oder als es um die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Landschaftsökologie ging.

Ich komme zum Schluß. Eine Frage liegt nahe: Würdest ich das noch einmal so machen, wenn ich die Möglichkeit hätte? Ich glaube, ich habe darauf eine differenzierte Antwort gegeben. Es gibt Bereiche, da verbieten die Normen der Wissenschaft das, was ich versucht habe: Es wird sonst dilettantisch. Es gibt Bereiche, da verlangen die Normen der Wissenschaft das, was ich versucht habe: Es wird sonst dilettantisch; hier und heute aber sind die Machtverhältnisse im allgemeinen so, daß man das, was in letzterem Fall die Normen der Wissenschaft verlangen, nur gegen größten Widerstand tun kann oder – und dazu rate ich – wenn man sich mit einer ganz randständigen Position, einer Nischenexistenz begnügt.
Ich habe eben gefragt: Würdest ich das noch einmal so machen, wenn ich die Möglichkeit hätte? Das ist der entscheidende Punkt. Die Vorstellung dieser Möglichkeit ist abwegig. Nicht nur weil man nicht jünger wird, sondern weil ich heute nie und nimmer Professor werden könnte. Mir fehlt es an allem, was eine heutige Berufungskommission überzeugen könnte. Nun gibt es aber nicht wenige jüngere Wissenschaftler, die eine ähnliche Auffassung von diesen Dingen haben wie ich. Besteht für die gar keine Hoffnung, je eine feste Stelle in der Wissenschaft zu bekommen, wenn sie ihre Auffassung nicht aufgeben wollen und nach ihr leben wollen? Doch, aber sie müssen sich dazu zunächst über lange Jahre in einem Maße verbiegen, wie das bisher nie der Fall war. Sie müssen Projekte einwerben auch dann, wenn das für ihr wissenschaftliches Ziel ganz unnötig ist. Sie müssen, Aufsatz für Aufsatz, schreiben, was sie gar nicht meinen, was aber anonyme Gutachter lesen wollen. Sie müssen – darin, so hat man den Eindruck, besteht im wesentlichen das, was Nachwuchswissenschaftler heute im Unterschied zu früher systematisch zu lernen haben –, lernen, zu präsentieren, d. h. sich zu präsentieren, d. h. mehr zu scheinen als zu sein. Ob er sich zutraut, das zu überstehen, ohne dauerhaft charakterlich Schaden zu nehmen, muß jeder mit sich selbst ausmachen.

Mit dieser nicht allzu optimistischen Feststellung möchte ich schließen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


Zitierte Literatur

Cheung, Tobias 2000: Die Organisation des Lebendigen. Die Entstehung des biologischen Organismusbegriffs bei Cuvier, Leibniz und Kant. Campus Verlag, Frankfurt am Main - New York.
Dinnebier, Antonia 1996: Die Innenwelt der Außenwelt. Die schöne „Landschaft“ als gesellschaftstheoretisches Problem. – Landschaftsentwicklung und Umweltforschung. Schriftenreihe im Fachbereich Umwelt und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin. Nr. 100. Technische Universität Berlin, Berlin.

Drexler, Dóra 2010: Landschaft und Landschaftswahrnehmung. Untersuchung des kulturhistorischen Bedeutungswandels von Landschaft anhand eines Vergleichs von England, Frankreich, Deutschland und Ungarn. Dissertation Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Technische Universität München. Freising.
Dworsky, Alexis 2011: Lepusaurus rex – Die kulturelle Evolution des Dinosauriers. Dissertation Fachbereich Architektur – Design – Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal.
Gelinsky, Eva 2008:Vielfalt und regionale Eigenart als strukturierende Prinzipien einer Kulturtheorie des Essens. Eine ideengeschichtliche Rekonstruktion am Beispiel der Organisation Slow Food. Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur Band 17.
Gnädinger, Johannes 2009: Funktionale Grenzen ökologischer Systeme. Ein organismenzentrierter Ansatz. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2009. 219 S. Europäische Hochschulschriften. Reihe 42: Ökologie, Umwelt und Landespflege. Bd. 31
Haider, Sylvia 2011: Altitudinal distribution of non-native plants: the effects of climate, habitat and introduction history. Dissertation Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Technische Universität München. Freising
Hard, Gerhard 1969: Die Diffusion der „Idee der Landschaft“. Präliminarien zu einer Geschichte der Landschaftsgeographie. – Erdkunde Band XXIII, 249-264.
Heger, Tina 2004: Zur Vorhersagbarkeit biologischer Invasionen. Entwicklung und Anwendung eines Modells zur Analyse der Invasion gebietsfremder Pflanzen. Schriftenreihe Neobiota, Band 4, Berlin
Jax, Kurt 2002: Die Einheiten der Ökologie: Analyse, Methodenentwicklung und Anwendung in Ökologie und Naturschutz. Peter Lang, Frankfurt a. M.
Kirchhoff, Thomas 2007: Systemauffassungen und biologische Theorien. Zur Herkunft von Individualitätskonzeptionen und ihrer Bedeutung für die Theorie ökologischer Einheiten. Beiträge zu Kulturgeschichte der Natur Band xxx. Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Technische Universität München, Freising.
Körner, Stefan 2001: Theorie und Methodologie der Landschaftsplanung, Landschaftsarchitektur und Sozialwissenschaftlichen Freiraumplanung vom Nationalsozialismus bis zur Gegenwart. Landschaftsentwicklung und Umweltforschung Nr. 118. Berlin.
Meyer-Oldenburg, Torsten 2003. Planen im Diskurs - Konfliktmanagement und Kooperation am Beispiel der kommunalen Landschaftsplanung. Rohn, Dortmund.
Mittelstraß, Jürgen 2005: Technikfolgenabschätzung. Theorie und Praxis. Nr. 2, 14. Jahrgang, S. 18-23.
Pulg, Ulrich 2009: Laichplätze der Bachforelle (Salmo trutta) in der Moosach – die Bewertung ihrer Funktionsfähigkeit, ihre Dagradierung und ihre Restaurierung. Dissertation Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Technische Universität München. Freising.
Siegmund, Andrea 2010: Der Landschaftsgarten als Gegenwelt. Ein Beitrag zur Theorie der Landschaft im Spannungsfeld von Aufklärung, Empfindsamkeit, Romantik und Gegenaufklärung. – Dissertation Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Technische Universität München. Freising.
Schadt, Stephanie 2002: Scenarios assessing the viability of a lynx population in Germany - Szenarien für eine lebensfähige Luchspopulation in Deutschland. Dissertation, Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Technische Universität München, Freising.
Schelsky, Helmuth 1963: Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen. Rowohlt, Reinbek.
Schwarz, Astrid Elisabeth 2002: Wasserwüste - Mikrokosmos - Ökosystem. Eine Geschichte der Eroberung des Wasserraumes. Rombach Verlag, Freiburg/Br.

Schwarz, Astrid; Jax, Kurt (Hrsg.) 2011: Ecology revisited. Reflecting on Concepts, Advancing Science. Handbook of Ecological Concepts Bd. 1, Springer, Berlin.

Trepl, Ludwig 2001: Planungswissenschaften und Hochschulreform. Stadt und Grün 5/7, S. 313-319, 502 – 509.

Trepl, Ludwig 2005: Allgemeine Ökologie. Band 1: Organismus und Umwelt.
Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M., Berlin, Bern, Brüssel, New York, Oxford, Wien.
Trepl, Ludwig 2007: Allgemeine Ökologie Band 2: Population. Peter Lang, Frankfurt am Main - Berlin - Bern - Brüssel - New York - Oxford - Wien.
Vicenzotti, Vera 2010: Zwischenstadt: Stadt, Kulturlandschaft oder Wildnis? Eine Analyse unterschiedlicher Lesarten. Dissertation Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Technische Universität München. Freising.
Voigt, Annette 2009: Die Konstruktion der Natur. Ökologische Theorien und politische Philosophien der Vergesellschaftung. Sozialgeographische Bibliothek. Franz Steiner Verlag, Stuttgart.
Weil, A. 2005: Möglichkeiten und Grenzen der Beschreibung synökologischer Einheiten nach dem Modell des Organismus. Frankfurt/M.
Zehlius-Eckert, Wolfgang 2000: Möglichkeiten und Grenzen der repräsentativen Auswahl von Artenkollektiven im Naturschutz: Inwieweit lassen sich Arten durch andere Arten indizieren? Reihe „Angewandte Landschaftsökologie“, hrsg. vom Bundesamt für Naturschutz (BfN).



[1] Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Studienfakultät Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung sowie Department für Ökologie und Ökosystemmanagement des Wissenschaftszentrums Weihenstephan (WZW) der Technischen Universität München
[2] Mittelstraß 2005

[3] Z. B. Gnädinger 2009, Haider, 2011, Heger 2004, Jax 2002, Pulg 2009, Schadt 2002.

[4] Z. B. Cheung 2000, Kirchhoff 2007, Körner 2001, Schwarz 2002, Weil 2005, Voigt 2009.

[5] Z. B. Dworsky 2011, Gelinski 2008, Drexler 2010, Siegmund 2010, Vicenzotti 2010.

[6] Z. B. Meyer-Oldenburg 2003, Zehlius-Eckert 2000.

[7] Wenn ich im folgenden von „normalen“ Disziplinen oder Wissenschaften spreche, so meine ich solche, die dem ähneln, was man in der Wissenschaftstheorie normal sciences (Th. Kuhn) oder „kompakte Wissenschaften“ (Toulmin) nennt. Dazu gehören, in Abstufungen, alle Naturwissenschaften, aber auch die meisten Ingenieurwissenschaften.

[8] In der Öffentlichkeit machen heute vor allem Hirnforscher, die sich zu Fragen der Moralphilosophie, und Genetiker, die sich zu Fragen der Religionsphilosophie meinen äußern zu können, von sich reden. Es wäre besser, wenn sie zur Kenntnis nähmen, was die Moral- und Religionsphilosophen zu sagen haben.

[9] Es gibt eine sehr umfangreiche und seit vielen Jahrzehnten andauernde allgemeine Diskussion um Interdisziplinarität. In dieser ist es so gut wie unbekannt, daß es solche interdisziplinären Disziplinen wie die Planungsdisziplinen – im engeren wie im weiteren  Sinn – gibt. Wenn man in solchen Kreisen anspricht, daß die von ihnen diskutierten und oft für neu gehaltenen Probleme etwa in der Landschaftsplanung seit eh und je bekannt sind, daß die vermeintlich neuen Lösungen hier oft längst diskutiert und verworfen wurden, erntet man meist Erstaunen (und der Hinweis wird sofort wieder vergessen).

[10] Vor allem im Zusammenhang mit Entwicklungshilfe ist „lokales Wissen“ (das ist nicht nur, aber doch zu guten Teilen das, wozu man früher Aberglaube gesagt hat) geradezu zu einem Zauberwort geworden.

[11] Siehe Trepl 2001

[12] Vgl. Popper 1965

[13] Wissenschaft habe ich hier in Anführungszeichen gesetzt. Noch um 1800 war Philosophie nicht nur selbstverständlich Wissenschaft, sondern es war eben sie, die als erste und ohne Einschränkung diesen Titel beanspruchen durfte. Erst später hat sich durchgesetzt, daß auch empirische Fächer wie Geschichte und andere „Geisteswissenschaften“ als Wissenschaften galten, und später, nicht zuletzt unter dem Einfluß der angloamerikanischen Kultur, diese eher nicht mehr (sie sind „humanities“), sondern nur noch „science“, also das, was sich methodisch am Vorbild der exakten Naturwissenschaften orientiert.

[14] Körner 2001 stellt, vor allem anhand des Werks von Buchwald, dar, daß diese Entwicklung in der Landespflege sich schon in der Nachkriegszeit vollzog. Sie wiederholte sich aber in den 70er/80er Jahren, wenn auch unter veränderten Vorzeichen.

[15] Siehe dazu Schelsky 1963

[16] Sog. Bildungsgewinne, die es beim Betreiben spezialisierter Wissenschaft natürlich auch gibt – beispielsweise lernt man in der experimentellen Forschung etwas über das Verhältnis von Vorurteilen und Kritik an ihnen – werden bei weitem wettgemacht durch die Horizontverengung.

[17] Wissenschaft ist ohne das, was mit Transdisziplinarität (auch) intendiert ist, ohne Sinn; der Wissensfortschritt allein gewährleistet ihn heute nicht mehr.

[18] Es ist ein Glück, daß die Mitarbeiter, die invasionsbiologisch arbeiten, vom Lehrstuhl für Renaturierungsökologie (Kollmann) übernommen worden sind, wo sie besser aufgehoben sind als sie es bei mir waren.

[19] Trepl 2005, 2007

[20] Schwarz und Jax (Hrsg.) 2011

[21] Allein daraus, daß es keine Breite gibt, die die Landschaftsplanung nicht fordern würde, darf man nicht schließen, daß man die Forschung so breit anlegen müßte. Man kann sich einen einigermaßen breiten Horizont aneignen, so daß es für die Lehre reicht und in der Forschung kann man kooperieren.

[22] Man muß, um auch nur das Minimum dessen er erlangen, was notwendig ist, um den Gegenstand hier einigermaßen zu verstehen, etwa den Umfang dessen veranschlagen, was man für die Naturwissenschaften insgesamt aufwendet. Davon sind wir weit entfernt, und darum wurde das Mindestmaß auch nur von einigen wenigen erreicht, solchen, die auf dieses Gebiet ihren Schwerpunkt legten, also auch etwa Zeit im angedeuteten Umfang aufwandten. Über die meiste Zeit meiner Tätigkeit an dieser Hochschule hat die Studienordnung eine solche Schwerpunktsetzung ermöglicht, jetzt ist das nicht mehr so.

[23] Den Vergleich kann man noch etwas ausweiten. Vielleicht gibt es ein solches Biologiestudium ja wirklich, möglicherweise in von christlichen Fundamentalisten betriebenen Hochschulen in den USA, wo Evolution aus religiös-dogmatischen Gründen nicht vorkommen darf. Die Gründe, weswegen man in den „Umweltwissenschaften“ von Landschaft als einem kulturellen Gegenstand meist nichts wissen will, könnte man durchaus ebenfalls religiös-dogmatisch nennen; wissenschaftlich sind sie jedenfalls nicht.

[24] Hier besteht die große Mehrheit aus Angehörigen von normalen Wissenschaften bzw. Fächern im o. g. Sinn, und nach allem, was man über Paradigmatisierungsprozesse weiß, wäre es sehr verwunderlich, wenn sich in einem solchen Fach Verständnis für Gebiete bilden würde, die dem eigenen Paradigma fernstehen.

[25] Sieht man sich die Ausbildungsstätten für Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung im deutsprachigen Raum an und fragt, wie denn die TUM sich eine besondere Position hätte verschaffen können, so muß man feststellen: Eine große Chance wurde verspielt. (Man hat sich ja in die Vorgänge um seine eigene Nachfolge nicht einzumischen; aber die Sache ist nun gelaufen und ich darf sie im Nachhinein kommentieren.)

[26] Die erste größere Landschaftsplaner-Arbeit in diesem Sinn, die das Niveau hatte, das ich für erforderlich halte, war im deutschsprachigen Raum wohl die Dissertation von Antonia Dinnebier an der TU Berlin (Dinnebier 1997).

[27] Natürlich haben wir sie auch von einigen Großphilosophen übernommen, aber ich muß hier vor allem die Namen zweier Geographen nennen: Ulrich Eisel und Gerhard Hard.

[28] Das ist im Umkreis des Fachs Landschaftsplanung, die ja eine schon recht alte „interdisziplinäre Problemgemeinschaft“ ist, durchaus der Fall, doch eigenen sich diese Zeitschriften nur für einen eher kleineren Teil dessen, was geschrieben wird; sie sind keineswegs die Zeitschriften für die besten Arbeiten – nach welchem Maßstab auch immer.

[29] Ausgelöst durch die Guttenberg-Affäre wird allenthalben gefordert, die Begutachtung vom Doktorvater zu lösen und Externen zu übertragen. Gewiß, manche Kungeleien würden dadurch unterbunden, aber der Preis wäre zu hoch. Und in den meisten Fächern bzw. Universitäten dürfte man mit dieser Forderung ohnehin der Realität hinterherhinken.

[30] Drexler 2010

[31] Hard 1969

[32] Die Autonomie legte ein vorher unvorstellbares Netz bürokratischer Kontrollen über die Universität. Darüber hat man vorher, in der Zeit der Herrschaft der Ministerien, auch schon geklagt. Der Unterschied ist, daß sie jetzt nicht mehr von den Ministerien ausgeht und daß sie Anderes, Wesentlicheres betrifft. Während man früher überspitzt gesagt vorgeschrieben bekam, wie viele Bleistifte einem zustehen, muß man heute dem sogenannten Qualitätsmanagement bei der Hochschulleitung ganz genau angeben, wie eine Lehrveranstaltung abläuft, welche „Medien“ man benutzt usw., wenn sie genehmigt werden soll.

[33] Trivial wäre, daß zwar in Großprojekten kooperiert wird, ansonsten aber der Normalbetrieb der normalen Wissenschaft weiterläuft. Das wird gerade heute offiziell gefördert. Aber erfahrungsgemäß kommt bei diesen Großkooperationen im allgemeinen nicht mehr heraus, als wenn die Beteiligten einzeln weitergemacht hätten.